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Die verkammerten Berufsgruppen haben sich Standesregeln auferlegt, die von den Berufsangehörigen eingehalten werden müssen. So regeln beispielsweise für den Steuerberaterberuf die §§ 1 und 7 der Satzung über die Rechte und Pflichten bei der Ausübung der Berufe der Steuerberater und der Steuerbevollmächtigten – Berufsordnung (BOStB), dass sich der Berufsangehörige auch außerhalb der Berufstätigkeit des Vertrauens und der Achtung würdig zu erweisen hat, die der Beruf von ihm erfordert und er außerdem zur Sachlichkeit und zur Kollegialität verpflichtet ist. Unter Sachlichkeit ist hierbei ein Verhalten zu verstehen, das bei gewissenhafter Berufsausübung geeignet ist, die anvertrauten Interessen in angemessener Form zu vertreten.

In einem für den Kammerberuf der Rechtsanwälte vor kurzem entschiedenen Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ging es um die Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen einer Rechtsanwaltsanwärterin, die den Rechtsweg beschreiten musste, weil die für die Zulassung zuständige Rechtsanwaltskammer Köln schlimme Verfehlungen bei der künftigen Anwältin gesehen haben will, die ihrer Berufszulassung entgegenstehen sollen und – begründet mit der Unwürdigkeit – zunächst die Versagung der Zulassung zur Folge gehabt hatten.

Die junge Frau klagte gegen diese Entscheidung beim Anwaltsgerichtshof und unterlag. Sie verfolgte den Rechtsweg aber weiter und strengte ein Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht an. Vor dem BVerfG erhielt sie nun Recht und das Verfahren wurde zur weiteren Verhandlung zurückverwiesen, wo man sich nun im Nachgang mit den Argumenten der Bundesverfassungsrichter beschäftigten muss (Beschluss vom 22. Oktober 2017 – 1 BvR 1822/16).

Zwar hat die Beschwerdeführerin andere schlimm beschimpft und wurde hierfür wegen Beleidigung mit einer Geldstrafe belegt. Dass ihr allein hieraus aber eine nachhaltige Versagung des Berufszuganges wegen Unwürdigkeit erwachsen solle, sah das BVerfG nicht.

Der Sachverhalt (Auszug aus der Entscheidung):

Im Rahmen ihres Rechtsreferendariats wurde die Beschwerdeführerin einem Staatsanwalt zur Einzelausbildung in Strafsachen zugewiesen. Im Laufe der Station kam es zwischen beiden sowohl wegen fachlicher Belange als auch aus persönlichen Gründen mehrfach zu Auseinandersetzungen. Der ausbildende Staatsanwalt beurteilte die Beschwerdeführerin im abschließenden Stationszeugnis mit der Note „befriedigend“. Die Beschwerdeführerin empfand dies als ungerecht. Ihrer Ansicht nach enthielt das Zeugnis Unwahrheiten und war Ausdruck einer Benachteiligung wegen ihres Migrationshintergrundes.

Sie wandte sich nach Erhalt der Beurteilung … per E-Mail an ihren Ausbilder. Darin äußerte sie sich auszugsweise wie folgt:

„Sie sind ein provinzieller Staatsanwalt, der nie aus dem Kaff rausgekommen ist, in dem er versauert. Ihr Weltbild entspricht dem des typischen deutschen Staatsbürgers von 1940. Mit Ihrem Leben und Ihrer Person sind Sie so zufrieden wie das Loch vom Plumpsklo. Als Sie mich vor sich hatten, sind Sie vor Neid fast erblasst. Ich konnte Ihren Hass geradezu sinnlich wahrnehmen. … Also taten Sie das einzige, wozu Ihnen Ihre begrenzte Position die Möglichkeit bietet: Sie stellten mir ein wirres Zeugnis aus, das an jeder Realität vorbeigeht. Nun, ich beglückwünsche Sie zu diesem strahlenden Sieg, genießen Sie ihn aufrichtig, kosten Sie ihn bloß richtig aus – denn während es für mich nur ein unerhebliches Ärgernis ist (welches mich, zugegeben ziemlich in meinem Rechtsempfinden berührt), ist es für SIE der Höhepunkt Ihres Lebens. Etwas Schöneres wird Ihnen während Ihrer armseligen Existenz nie erfahren.“

In dem sich anschließenden Ermittlungsverfahren wandte sich die Beschwerdeführerin … per E-Mail an die zuständige Oberstaatsanwältin und führte darin unter anderem aus:

„Ich bestaune die Praxis der Staatsanwaltschaft A., Rechtsbrüche zu verfolgen, ohne sich selber an das Recht zu halten. Sollte das eine Frage der inneren Einstellung sein, gehören Sie nicht in den Justizdienst. Sollte das intellektuell bedingt sein, so besuchen Sie doch noch einmal eine Grundstudiumsvorlesung.“

Die Beschwerdeführerin wurde wegen Beleidigung des Staatsanwalts vom Amtsgericht zu einer Geldstrafe verurteilt.

Im August 2014 beantragte sie ihre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft.Dieser Antrag wurde … abgelehnt. Die Beschwerdeführerin habe sich mit der Beleidigung ihres Einzelausbilders und der Äußerung gegenüber der Oberstaatsanwältin während des laufenden Ermittlungsverfahrens eines Verhaltens schuldig gemacht, das sie gemäß § 7 Nr. 5 BRAO unwürdig erscheinen lasse, den Beruf eines Rechtsanwalts auszuüben. Die Taten ließen befürchten, dass die Beschwerdeführerin ihre berufliche Stellung als Rechtsanwältin nicht, wie dies geboten sei, ordnungs- und pflichtgemäß ausüben werde.

Die Verweigerung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft sei als Eingriff in die Freiheit ihrer Berufswahl nur dann gerechtfertigt, wenn von ihrer Zulassung eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgehe. Diese Prognose könne allein wegen ihrer Äußerungen gegenüber ihrem Ausbilder nicht gestellt werden, weil sie ihre Beleidigung weder öffentlich noch verbunden mit einer Tätlichkeit vorgetragen habe. Anlass zur Reue sehe sie nicht. Ihre Meinung über ihren Einzelausbilder habe sich nicht geändert. Die Versagung ihrer Zulassung verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil ihr dadurch ihre Existenzgrundlage entzogen und ihr berufliches Fortkommen auf unbestimmte Zeit verhindert werde. Ein derart gravierender Eingriff in ihre Berufsfreiheit stehe außer Verhältnis zu ihrem Verhalten.

Die angegriffenen Entscheidungen der Rechtsanwaltskammer und des Anwaltsgerichtshofs verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus … GG (Berufswahlrecht).

Ein Bewerber kann daher nicht allein deswegen als unwürdig … angesehen werden, weil sein Verhalten im beruflichen Umfeld oder im gesellschaftlichen Bereich auf Missfallen stößt. Erforderlich ist in der Regel vielmehr, dass das von ihm gezeigte Fehlverhalten auch geeignet ist, das Vertrauen in die Integrität der Rechtsanwaltschaft im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege zu beeinträchtigen.

 

Volltext der Entscheidung

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