Verfassungswidrigkeit des Grundfreibetrages im Zusammenspiel mit dem Bürgergeld
Der Grundfreibetrag ist im Verhältnis zum Bürgergeld zu niedrig bemessen.
Finanzgericht Schleswig-Holstein vom 28.06.2024 - 1 K 37/23 (Klage abgewiesen)
28.07.2024
Zur Höhe des Grundfreibetrags im Veranlagungszeitraum 2023
Im Klageverfahren vor dem Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht wurde die Höhe des Grundfreibetrags für den Veranlagungszeitraum 2023 überprüft. Bereits 2022 hatte das Handelsblatt auf die absehbare Ungleichbehandlunghingewiesen, die Bedenken hinsichtlich der aktuellen Ausgestaltung des Grundfreibetrags durch den Gesetzgeber hervorrief.
Hintergrund
Der Grundfreibetrag soll als "Existenzminimum" die Steuerfreistellung jener Einkommensanteile gewährleisten, die bis zur Höhe von 10.908 EUR pro Jahr (Grundtabelle, Ledige, Veranlagungszeitraum 2023) erzielt werden.
Artikel 6 Abs. 1 Grundgesetz verlangt, dass bei der Besteuerung von Familien das Existenzminimum aller Familienmitglieder steuerfrei bleibt. Dies wird durch Kinderfreibeträge und gegebenenfalls Abzugspositionen für Unterhaltsverpflichtungen ergänzt. Das sozialhilferechtlich bemessene Existenzminimum bildet die Grenze für das einkommensteuerliche Existenzminimum.
Vergleich mit Bürgergeld
Ein Vergleich des Grundfreibetrags mit dem gesetzlichen Anspruch auf Bürgergeld (Bürgergeld-Gesetz; Zwölftes Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze) zeigt eine Ungleichbehandlung:
- Ein alleinstehender Bürgergeldempfänger erhielt 2023 502 EUR monatlich und zusätzlich Miet- und Nebenkostenzuschüsse, die sich beispielsweise auf ca. 750 EUR belaufen konnten.
- Da die Kosten für Unterkunft und Heizung im Rahmen der Angemessenheit übernommen werden, summierten sich diese steuerfreien Leistungen auf ca. 15.024 EUR pro Jahr.
- Der einkommensteuerliche Grundfreibetrag betrug hingegen nur 10.908 EUR (VAZ 2023; Grundtabelle für Alleinstehende).
Diese Differenz führte zu einer Steuerlast von etwa 742 EUR für das Jahr 2023, was einer Steuerfestsetzung von rund 18% im Einkommensbereich zwischen 10.909 EUR und 15.024 EUR entspricht.
Entwicklung in 2024
Diese Ungleichbehandlung setzt sich 2024 fort:
- Die Regelsätze des Bürgergelds wurden um rund 12% auf 563 EUR angehoben.
- Der Grundfreibetrag stieg hingegen nur um 6%.
Das daraus resultierende Missverhältnis führt erneut zu einer fortgesetzten Steuerbelastung von etwa 740 EUR für 2024.
Weiteres Verfahren
Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht hat die Klage zunächst abgewiesen, jedoch die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen. Diese wird nun unter dem Aktenzeichen III R 26/24 weitergeführt.
Entsprechende Fälle können im Einspruchsverfahren angefochten und bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs ruhend gestellt werden.
Diese Situation verdeutlicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Überprüfung und gegebenenfalls einer Anpassung der aktuellen Regelungen, um eine verfassungskonforme und gerechte Besteuerung sicherzustellen.
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