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Im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein war in einem neuen Urteil ( 1.7.2014 -1 Sa 63/14 ) über einen komplexen Fall zu entscheiden (Umfassende Auskunftsansprüche eines Beratungsstellenleiters). Dem Urteil ging das Verfahren vor dem Arbeitsgericht Kiel (16.01.2014 – 5 Ca 882 a/12) voraus.

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Scheidet ein angestellter Steuerberater aus dem Dienstverhältnis aus und ergibt sich aus dessen Anstellungsvertrag eine vollumfänglich ergebnisabhängige Vergütung, so hat der Steuerberater umfassende Auskunftsansprüche gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber.

Der Fall:
Ein angestellter Steuerberater ist für eine Steuerberatungsgesellschaft mit 77 Beratungsstellen neben weiteren Berufskollegen als Leiter einer ihrer Niederlassungen tätig gewesen. Nach Differenzen mit den Co-Leitern ist der Kollege rechtswidrig von der Arbeitgeberin versetzt worden. Im Dezember 2011 kündigte der Steuerberater das Dienstverhältnis mit Wirkung zum 31. Dezember 2012. Die Arbeitgeberin entzog ihm unmittelbar alle Möglichkeiten der Einsichtnahme in die Software der Kanzleieigenorganisation (Datev EO) für die bisher von ihm geleitete Beratungsstelle, sodass der Kläger fortan über die Entwicklung der Beratungsstelle und insbesondere über alle Mandantenaufträge sowie deren Fakturierungszeitpunkte keine Kenntnisse mehr hatte.

Die ihm zu einem späteren Zeitpunkt von der Arbeitgeberin vorgelegte Gewinnermittlung für das Jahr 2011 weist einen ungewöhnlichen und erheblichen Umsatzrückgang im letzten Monat des Jahres 2011 aus. Begründete Zweifel am Umsatzrückgang haben die Beklagten nicht ausgeräumt und jegliche Auskunftserteilung abgelehnt. Gegenüber den vorangegangenen Geschäftsjahren divergierte das Ergebnis der Niederlassung im Jahre 2011 deutlich und war auch nicht durch den bisherigen Geschäftsjahresverlauf zu erwarten und aus Sicht des angestellten Steuerberaters nicht glaubhaft. Auch über das sich unmittelbar anschließende folgende Geschäftsjahr 2012 erteilte die Steuerberatungsgesellschaft dem Kläger keine Auskünfte mehr.

Nach dem Dienstvertrag ermittelte sich die Arbeitsvergütung der Klägers unmittelbar aus dem wirtschaftlichen Ergebnis eines jeden Geschäftsjahres der von ihm geleiteten Niederlassung und war somit vollumfänglich erfolgsabhängig.

Der angestellte Steuerberater erhielt nach dem Beratungsstellenleitervertrag unterjährig Abschlagszahlungen auf seine voraussichtliche Vergütung, die im Rahmen der Buchführung von der Arbeitgeberin nach Ende eines jeden Geschäftsjahres zu ermitteln war.

Für die vorangegangenen Jahre erhielt der Steuerberater neben den Abschlagszahlungen auch Schlusszahlungen auf seine Vergütung, da die Abschlagszahlungen regelmäßig niedriger waren. So erhielt er als Differenz der verdienten Vergütung zu den bereits gezahlten Abschlägen z.B. für das Jahr 2009 im Mai 2010 noch EUR 339.000 (Schlusszahlung 2009) sowie als Differenz der verdienten Vergütungen zu den bereits gezahlten Abschlägen für das Jahr 2010 im Mai 2011 noch EUR 330.000 (Schlusszahlung 2010). Die Höhe der absoluten Vergütung für das jeweilige Geschäftsjahr ergab sich zum einen aus der von den Beklagten erstellten Kanzleibuchführung und zum anderen aus einer Überschussverteilungsabrede.

Der Steuerberater klagte auf die Erteilung von Auskünften über die seine Vergütung beeinflussenden Ergebnisse der Beratungsstelle. Die Beklagten lehnten jede Auskunftserteilung ab. Eine Auszahlung des Saldos seines Beratungsstellenleiterguthabens fand somit nicht statt.

Der Hintergrund:
Der Zeitpunkt der Erstellung von Honorarrechnungen ist grundsätzlich nicht entscheidend für die Berücksichtigung als Umsatz bzw. Honorareinnahme einer Beratungsstelle, wenn das Ergebnis nach den Grundsätzen der Periodenabgrenzung und unter Aspekten der wirtschaftlichen Zugehörigkeit zu ermitteln ist. Die Zugehörigkeit einer Einnahme zu einer bestimmten Abrechnungsperiode (Geschäftsjahr) ergibt sich vielmehr aus dem Zeitpunkt der Leistungserstellung. Würde eine fertiggestellte Leistung des Jahres x+0 erst im darauffolgenden Jahr x+1 fakturiert, d.h. dem Mandanten in Rechnung gestellt, so ergäben sich dadurch erhebliche Verzerrungen. Die wirtschaftlich noch dem Jahr x+0 zuzuordnenden Einnahmen fehlen in diesem und erhöhen das Honoaraufkommen im Jahr x+1. Die Ergebnisse beider Jahre sind daher falsch und die Ergebnisse im Jahr x+0 wegen fehlendem Umsatzaufkommen zu gering ausgewiesen. Ein an dem Ergebnis des Jahres x+0 gegebenenfalls beteiligter Angestellter (Geschäfts-/Beratungsstellenleiter) würde hierdurch schlechter gestellt und um die von ihm verdiente Vergütung gebracht. Dies gilt insbesondere dann, wenn der bisherige Arbeitgeber im Fortgang die Vorlage von Unterlagen und die Erteilung von Auskünften ablehnt.

Die Richter des LAG haben den komplizierten Sachverhalt richtig eingeordnet. Ihrem Urteil können die folgenden Aussagen entnommen werden:

  • Die Berufung des Klägers ist zum überwiegenden Teil begründet. Der Kläger kann ergänzende Auskunft für das Jahr 2011 einschließlich der Vorlage weiterer Belege sowie Auskunft für die Jahre 2012 und 2013 verlangen. Rechtsgrundlage des vom Kläger geltend gemachten Auskunftsanspruchs ist § 242 BGB.
  • Die Beklagten haben den Auskunftsanspruch des Klägers bisher nicht erfüllt, sie sind aber zur Auskunfterteilung für die Jahre 2011, 2012 und 2013 verpflichtet.
  • Hierzu sind Auswertungen aus der Kanzleieigenorganisation (Datev EO), den Buchführungssachkonten etc. zu erstellen. Anhand der Auswertungen müssen sich die Mandatsaufträge in ihrer Anbahnung, Entstehung, Bearbeitung und der abschließenden Fakturierung nachvollziehen lassen, insbesondere die jeweiligen Bearbeitung- und Fertigstellungszeitpunkte ergeben.
  • Die Beklagten müssen einen Ausdruck der in dem Programm DATEV-Eigenorganisation für das Kalenderjahr 2011 zur Bezirksstelle S… gespeicherten Mandantenaufträge erstellen, wobei der Auftraggebername, die Auftragsart, insbesondere auch die betroffenen Steuerarten, der Bearbeitungsstand, der „Kommentarstand“, der Fakturierungsstand, die Abrechnungsdaten und der Gegenstandswert erkennbar sein müssen. Auch Auszüge aller intern geführter Finanzbuchhaltungskonten, auf denen honorarbezogene Geschäftsvorfälle der Geschäftsstelle S… für das Jahr 2011 gebucht sind; in welcher Höhe Gebühren der Auftraggeber der Bezirksstelle (ausschließlich Umsatzsteuer) angefallen und fakturiert sind; in welcher Höhe im Einzelfall vereinbarte Gebühren für die an die Hauptgeschäftsstelle oder verbundene Unternehmen zur Bearbeitung abgegebenen Sonderfälle angefallen sind; über die nicht berücksichtigten Gebühren für nicht fertiggestellte Arbeiten, für die zu jedem Bilanzstichtag (30.06.2012) eine Rückstellung gebildet ist; über die Veränderung dieser Rückstellung für nicht erledigte Arbeiten gegenüber dem jeweils vorangegangenen Bilanzstichtag; über die wegen fehlenden Zahlungseingangs nicht berücksichtigten Zahlungen durch die Auftraggeber nach Auftrag und Rechnung; eine aufgegliederte Aufstellung der Personalkosten je Mitarbeiter samt Erläuterung sind zu erstellen und dem Kläger zur Verfügung zu stellen.

 

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen.


 

 

 

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